Heinrich Fahrenholz – ein (un)vergessener Senator der Stadt Hildesheim 1919 – 1933

Text: Hartmut Häger

Heinrich Fahrenholz, geb. am 28. Juli 1880 in Achim, gest. am 28. Oktober 1945 in Achim, war zum 1. Oktober 1914 als Mittelschullehrer an das Andreas-Realgymnasium (heute: Scharnhorstgymnasium) versetzt worden. Er konnte den Dienst aber erst 1919 antreten, weil er vom 26.9.1914 bis 30.11.1918 als Soldat am Ersten Weltkrieg teilnahm. Seit 5.10.1909 war er mit Meta, geb. Reiners, verheiratet, die am 4.5.1922 in Hildesheim starb. Aus der Ehe ging der Sohn Hermann, geb. am 13.10.1909 in Hannover, hervor. 

Fahrenholz trat am 25. Mai 1919 der SPD bei und wurde schon am 31. August 1919 vom Bürgervorsteher-Kollegium zum unbesoldeten Senatoren gewählt. Nach dem Tod von Hugo Braun am 23. Februar 1922 wurde er dessen Nachfolger als besoldeter Senator. Nach heutigen Begriffen war er Sozialdezernent. Seine besonderen Schwerpunkte war die Bekämpfung der Wohnungsnot, der Arbeitslosigkeit und der Armut. Heinrich Fahrenholz kandidierte schon 1925 für den Hannoverschen Provinziallandtag, gehörte ihm aber erst ab 1929 an. Sein Mandat endete am 10. April 1933 mit der Auflösung des Provinziallandtags durch die Nationalsozialisten. Wegen seiner Zugehörigkeit zur SPD beendete der Magistrat am 31. Oktober 1933 das Dienstverhältnis mit der Versetzung in den Ruhestand mit Wirkung vom 1. Januar 1934. Versuche, ihn durch Disziplinarverfahren anrüchiger Dienstvergehen (Korruption, Amtsmissbrauch, Vetternwirtschaft, unsittlches Verhalten) zu überführen, zu kriminalisieren und in Unehre aus dem Dienst zu entfernen, scheiterten schmählich. Am Ende wurde statt ihm der Initiator der Intrigen, Staatskommissar und Bürgermeister Heinrich Schmidt, 1936 aus dem Amt entfernt.

Fahrenholz war Mitgründer des Deutschen Republikanischen Reichsbunds und des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Er war Herausgeber des „Republikanischen Liederbuchs“ und des Lesebuchs „Für Freiheit und Vaterland. Sammlung vaterländischer Dichtungen aller Zeiten“. Weiterhin war er langjähriger Vorsitzender des Regierungsbezirksverbandes Hildesheim der Kleingartenvereine. Nach seiner Entlassung kehrte er an seinen Geburtsort zurück. In Achim beschäftigte er sich wieder wissenschaftlich mit der Insektenkunde. Nach Kriegsende gehörte er der Achimer Gemeindevertretung an, die von der britischen Militärregierung eingesetzt wurde. Im September 1945 setzte ihn die britische Militärregierung als Landrat des Kreises Rotenburg/Wümme ein. Einen Monat später starb er.

Heinrich Fahrenholz führte persönlich, politisch und beruflich ein Leben mit vielen vergeblichen Bemühungen. Die schwere Erkrankung und der frühe Tod seiner Frau und die Entfremdung von seinem Sohn verhinderten ein
beglückendes Familienleben. Der unermüdliche Einsatz für die Festigung der jungen Republik konnte ihren Untergang nicht verhindern. Viele seiner Wahlkampfeinsätze endeten nach der Stimmenauszählung als Niederlagen. Seine
Versuche, den Menschen die Ideale der Aufklärung, der Freiheit und der Demokratie nahezubringen, blieben am Ende erfolglos. Der städtische Verwaltungsbericht 1928 bis 1936, der auch über die fünf Jahre seiner
Zuständigkeit für das Wohlfahrtswesen Rechenschaft ablegte, verschwieg seinen Namen und negierte seine Leistungen: „Aber alle diese Maßnahmen waren natürlich nur Tropfen auf den heißen Stein und führten zu keinem
durchschlagenden Erfolge auf dem Gebiet der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Diese Erfolge nachhaltig zu erreichen, blieb dem Dritten Reich, der Regierung Adolf Hitlers, vorbehalten.“[1] Fahrenholz hätte diesem Satz
heftig widersprochen, weil die „Nachhaltigkeit“ mit Mitteln erreicht wurden, die direkt in den Zweiten Weltkrieg führten. Aber auch sein Appell „Nie wieder Krieg!“ erreichte die Massen nicht. Trotz alledem ließ er sich nicht entmutigen oder verbittern.

Er glaubte an die bewusstseinsbildende Kraft der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, setzte aber auf die Vernunftbegabung der Menschen. Fahrenholz argumentierte, auch dann, wenn er agitierte. Er ging in
die Tiefe, wo andere Redner oberflächlich und phrasenhaft Stimmung machten. Dabei wollte er auch die Herzen der Menschen erreichen, aber mit adäquaten Mitteln: mit der Ästhetik der Dichtung und der Musik. Seine Liederbücher und seine Anthologie versammeln Texte, die Gemeinschaft stiften sollen, genauer: Solidarität. Sie sollen Selbstbewusstsein stiften, weil sie den Zugang zu verschütteten Traditionen und zu den großen geistigen Ahnen der Emanzipationsbewegung und zu einem freiheitlichen, friedfertigen Patriotismus öffnen. Das Selbstbewusstsein sollte das Wissen einschließen, dass nichts geschenkt, sondern alles erkämpft worden ist.