Wilhelm Henze

Text: Yven Hartmann

Am 05.02.1908 wurde Wilhelm Henze als zweiter Sohn des Waagenbau-Meisters Heinrich Henze geboren. Die Familie war sozialdemokratisch geprägt und so trat auch Wilhelm 1926 in die SPD ein, wohin ihm sein zwei Jahre älterer Bruder Friedrich dann 1927 folgte. Beide waren auch Mitglieder der Hildesheimer Jungsozialistengruppe. Außerdem schrieb Wilhelm Henze Artikel und Gedichte, die teilweise in sozialdemokratischen Zeitungen veröffentlicht wurden. Ab 1928 war er zudem in der Arbeiter-Esperanto-Bewegung tätig, wo er wahrscheinlich verschiedene Kommunisten kennenlernte. Als Beruf lernte er ebenfalls Waagenschlosser und arbeitete in der Werkstatt seines Vaters.

1929 gab Henze die Stelle bei seinem Vater auf und arbeitete ab 1930 als Angestellter beim Hildesheimer Volksblatt und ab 1931 bei der Celler Volkszeitung. Im Mai 1932 begab er sich dann auf seine zweite Studienreise nach Skandinavien, von wo aus er nach Deutschland und Hildesheim zurückkehrte. Während dieser Studienreisen lernte Henze den norwegischen Journalisten Per Viktor Mostad kennen, der Mitglied der norwegischen Arbeiterpartei und Herausgeber des „Horten Arbeiderblad“ war. Später wurde dieser allerdings wegen eines Konfliktes mit der Parteiführung aus der Arbeiterpartei entlassen und schloss sich daraufhin der norwegischen KP an.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 war Henze Teil der illegalen Gruppe um Gustav Hoppe, Erich Braun (beide SPD), Anton Lamek, Heinrich Bode (beide KPD) und August Lückgen (SAP), die regimekritische Flugblätter mit dem Titel „Ran. Streitschrift revolutionärer Marxisten“ aufsetzte und verteilte. Einige Arbeitsschritte bei deren Herstellung fanden in der Wohnung von Henze statt, welcher den Kopf des Blattes und die Überschriften der Artikel per Hand auf die Wachsmatrizen schrieb, während Lückgen und Hoppe die eigentlichen Texte per Schreibmaschine auf die Matrizen brachten. Die Matrizen wurden dann später von Braun am Hagentorwall an Bode weitergereicht, der mit Hilfe eines Abziehapparats, wahrscheinlich in einer Baracke in der Nähe des Zentralfriedhofs, die letztendlichen Flugblätter herstellte. Trotz der teilweise großen Spannungen zwischen SPD und KPD, gehörte Henze zu den Sozialdemokraten die sich den Kommunisten zum Kampf gegen das NS-Regime angenähert hatten.

Mit Teilen dieser Gruppe erstellte Henze im Anschluss an die Verteilung der „Ran“ Flugblätter noch eine zweite Flugschrift mit dem Titel „Hört die Signale“. Dies geschah auf eine Initiative von Henze hin, da er scheinbar nicht völlig mit dem Inhalt der ersten Flugschrift einverstanden war. Henze schrieb hier auch die von der Gruppe beschlossenen Texte mit Schreibmaschine auf die Wachsmatrizen, welche er dann an Braun weiterleitete.

In der Zeit von Juli bis August 1933 wurde der Großteil der Widerstandsgruppe von der Gestapo verhaftet. Henze war zu diesem Zeitpunkt mit seiner Verlobten auf einer Fahrradtour nach Berlin und zurück um Material für eine dritte Flugschrift zu sammeln. Nach seiner Rückkehr nach Hildesheim wurde am 24. August auch er verhaftet und durch das in Hildesheim tagende Kammergericht Berlin zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt, die er neben Hildesheim und Hameln auch im Emsländer Moor-Straflager Brual-Rede verbüßte, wo er fast ausschließlich auf Kommunisten traf und sich politisch dadurch wohl stärker ins linke Lager entwickelte.

Nach seiner Haftentlassung trat Henze mit Teilen der Hildesheimer Gruppe in Verbindung, mit der er die Flugblätter hergestellt hatte, blieb aber auch in Verbindung zu seinen Mithäftlingen und erhielt so im Frühjahr 1936 Besuch von dem KPD-Mann Adolf Schäfer aus Osnabrück, den er mit Erich Braun bekanntmachte, welcher ihm zwei Exemplare des Neuen Vorwärts überlies und von ihm einen Koffer mit kommunistischen Schriften und Büchern zur Aufbewahrung erhielt.

Im Februar 1936 heiratete Henze Martha Feller, die Tochter des bis 1928 tätigen Unterbezirkssekretärs der Hildesheimer SPD, über den er in Kontakt mit bekannten Hildesheimer Sozialdemokraten wie Erich Bruschke gelangte. Über die Tätigkeiten der ehemaligen Flugblattgruppe scheint Henze hingegen nur noch wenig informiert gewesen zu sein, wie man einem späteren Bericht von ihm an Willy Brandt entnehmen kann. Er gründete nun in Hildesheim eher mit anderen Jungsozialisten Kreise zum Studium sozialistischer Literatur, die ihnen noch verfügbar war, und zum Abhören von Radio Moskau. Zudem erhielt er Besuch von Per Viktor Mostad, der im März und April 1936 zur journalistischen Materialsammlung Deutschland bereiste. Dieser wohnte sechs Wochen in Hildesheim bei Henzes Schwiegereltern, welcher ihn unteranderem mit seinem Bruder Friedrich, Gustav Hoppe und Erich Braun bekanntmachte und so bei einem Treffen am 19. April in Henzes Haus illegales Material der Hildesheimer Antifaschisten erhielt. Später ging Henze irrtümlich davon aus, dass die Veröffentlichung solchen Materials in Norwegen durch Mostad zu den bald einsetzenden Verhaftungen durch die Gestapo in Hildesheim geführt habe.

Seine Arbeitsstelle als Werkschlosser in einer Klinkerfabrik verlor Henze durch Druck der Gestapo und so brach er im Mai 1936 mit seiner Frau erneut zu Fahrradtouren auf, um Kontakte zu knüpfen und seine ehemaligen Mithäftlinge zu besuchen, wodurch unteranderem nach Thüringen, ins Ruhrgebiet, nach Frankfurt und nach Baden kam. Hierdurch entging Henze den Verhaftungen zwischen Mai und Juni 1936 in Hildesheim, durch die der Hildesheimer Widerstrand zerschlagen wurde und die Gestapo bis zur Führungsspitze der Sozialistischen Front in Hannover vordringen konnte. Henze befand sich mit seiner Frau bei Adolf Schäfer in Osnabrück, als er hiervon erfuhr und versteckte sich dort bis seine Mutter ihnen Papiere und Reisegut aus Hildesheim bringen konnte. Dann machten sich Wilhelm und Martha Henze mit dem Fahrrad auf um in die Niederlande zu fliehen, was ihnen am 18. Juli 1936 bei Gronau/Glanerbrug trotz Beschuss durch die Grenzbeamten auch gelang. Allerdings mussten sie hierbei sowohl ihr Gepäck als auch ihre Fahrräder zurücklassen. Drei Tage hiernach erreichten sie das Flüchtlings-Komitee in Amsterdam, durch dessen Hilfe sie weiter nach Norwegen reisen konnten. Sowohl Henzes Mutter und Bruder, als auch Adolf Schäfer waren mittlerweile schon von der Gestapo verhaftet worden.

Wilhelm und Martha Henzes Reise führte sie letztendlich bis nach Schweden, wo sie sesshaft wurden und nicht wieder nach Deutschland zurückkehrten.


Quellen:
Hans Teich, Hildesheim und seine Antifaschisten, Seite 100, 122-123, erschienen im Selbstverlag, Hildesheim 1979, dritte Auflage
Dieter Schmid, Einheitsfront von unten? Der organisierte Widerstand aus der Arbeiterschaft in Hildesheim 1933–1937, Seite 104-109 127–134, Hildesheimer Jahrbuch Für Stadt und Stift Hildesheim, Band 63, Hildesheim 1993

Wilhelm Henze